Compliance allgemein

Hard cases make bad law: Kardinalpflichten von Geschäftsleitern und Wissentlichkeitsausschluss in der D&O-Versicherung (Streifzug 6)

Rechtsverstöße bei Insolvenzverschleppung bilden nach Fallzahlen den Schwerpunkt der Manager-Haftung. Zugleich nimmt die Zahl von Insolvenzen wieder zu. Auch steigt die Zahl der Gerichtsentscheidungen, die sich mit D&O – Haftungsfragen oder mit Fragen der Deckung durch D&O - Versicherer befassen. Daher unternehmen wir auf unserem Blog von Zeit zu Zeit Streifzüge durch praktische Aspekte der Insolvenzverschleppung. Der folgende Streifzug 6 greift das BGH-Urteil von 2014 auf, das D&O-Versicherern im Deckungsprozess den Einwand der Wissentlichkeit erleichtert, wenn der versicherte Geschäftsleiter eine elementare Berufspflicht (Kardinalpflicht) verletzt hat. OLG Frankfurt hat diese Rechtsprechung in drei Entscheidungen von 2025 für die Verletzung der Pflicht zum Insolvenzantrag und des Zahlungsverbots bei Insolvenzreife vertieft und erweitert. Die „Kardinalrechtsprechung“ erhöht freilich die Schwierigkeit der Fragen, die sich Insolvenzverwalter stellen müssen, wenn sie Haftungsansprüche gegen Geschäftsleiter mit Blick auf die D&O-Deckung verfolgen wollen. Diese Schwierigkeiten deuten darüber hinaus auf einen tiefer liegenden Webfehler in der D&O – Versicherung und ihrem typischen Wissentlichkeitsausschluss hin. Dieser Streifzug 6 stellt die Entscheidungen des OLG Frankfurt vor diesem Hintergrund dar. Er wendet sich gegen eine methodisch ungute Parallelverschiebung der Fragen, die sich eigentlich stellen. Einmal mehr gilt der Satz des US Supreme Court Richters Oliver Wendell Holmes von 1904: Hard cases make bad law.

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Die „Wirksamkeit“ von Compliance Management Systemen: Prüfungsstandards auf dem empirischen Prüfstand

Sind Compliance Management Systeme (CMS) nur Pflichtübungen ohne Wirkung? Nach den Erkenntnissen der Empirie lässt sich die Wirkung von CMS in der Tat nicht nachweisen. Auch die Vorschläge, wie Wirksamkeit von CMS quantitativ oder qualitativ beurteilt werden sollte, eröffnen nach heutigem Stand keine zuverlässige Messung, sondern nur Teileinblicke, die die Sicht aufs Ganze eher verstellen. Mangels zuverlässiger Messbarkeit greifen gängige Standards (DIN, IDW PS 980, COSO etc.), Unternehmen und Prüfer freilich zu immer umfangreicheren und teureren Pflichtprogrammen - ein „race to best practice“, um sich zu enthaften. Das kostet Geld, das an anderer Stelle fehlt, und Zeit und befördert systemisch über die Regeltreue hinaus die Risikoaversion in Unternehmen, ohne die Suche nach Chancen zu befeuern. All` dies wird oft beklagt, aber hingenommen. Nun haben die erwähnten empirischen Erkenntnisse handfeste rechtliche Konsequenzen: Rechtspflichten, die Kosten und andere Lasten mit sich bringen, müssen evidenzbasiert sein. Standards, die nicht empirisch verankert sind, entfalten daher keine Bindung, zumal „CMS-Overinvestment“ seinerseits sorgfaltswidrig sein kann. Statt Standards abzuarbeiten, können und müssen sich Unternehmensleitungen daher auf ihre eigene Intuition verlassen und auf den Vertrauensgrundsatz setzen, letzteres desto mehr, je „partizipativer“ und „agiler“ das Unternehmen organisiert ist. Dies kann - bereits auf Ebene der Rechtsanwendung - weiterem unternehmensinternem Bürokratieaufbau entgegenwirken. Der Verfasser hat dies in einem Artikel in der Zeitschrift für das Gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (ZHR 2025, 433 ff.) und einem Interview in BOARD 2025, Heft 3, näher dargelegt. Der folgende Blogbeitrag fasst die Überlegungen in Kürze zusammen. Das Board Interview findet sich auf dem Blog.

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Unternehmensbußen und Regress: EuGH und BGH machen den Wind rauer

Nach einem neuem EuGH-Urteil berechnen sich Bußgelder nach der Datenschutz-Grundverordnung nach Konzernumsatz. Gilt das auch beim Digital Services Act und Artificial Intelligence Act? Ferner hat der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Unternehmen für Unternehmensbußgelder Regress gegen die verantwortlichen Manager nehmen kann. Der Haftungswind wird also rauer. Der Blog-Beitrag geht diesen Themen nach.

Anzumerken ist schon hier: Wirtschaftlich zahlen die Anteilseigner die Zeche. Das ist ungut und verletzt, wie ich meine, EU-Verfassungsrecht. Laufend strengere EU-Pflichten ziehen immer ausgefeiltere, flächendeckende Compliance Management Systeme nach sich und erhöhen systemisch Risikobewusstsein und -aversion, ohne entsprechend die Suche nach Chancen zu befeuern. Das zieht in Unternehmen und Volkswirtschaft hohe Kosten nach sich und zwingt zur Frage, ob diese hohen Kosten angesichts der wenigen schwarzen Schafe und der Herausforderungen unserer Zeit gerechtfertigt sind.

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Führungskräfte im Fadenkreuz: Warum D&O-Schäden zunehmen – und was wirklich dahintersteckt

Die Zahl der D&O-Schäden steigt – aber warum geraten immer mehr (auch ehemalige) Führungskräfte ins Visier? Dieser Artikel gibt einen exklusiven Einblick in aktuelle Entwicklungen der Managerhaftung: von typischen Projektfehlern über Kartellverstöße bis hin zu Rückforderungen staatlicher Hilfen. Mit Daten aus über 500 Schadenfällen und konkreten Haftungsgründen zeigt die Analyse, wie schnell ein Managementfehler zum Millionenrisiko wird – und warum eine gute Unternehmensstrategie heute wichtiger ist denn je.

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Managerhaftung bei Insolvenzverschleppung: Die Haftung läuft nach Amtsende weiter (Streifzug 5)

Rechtsverstöße bei Insolvenzverschleppung bilden den Schwerpunkt der Manager-Haftung. Zugleich nimmt die Zahl von Insolvenzen wieder zu. Daher unternehmen wir auf unserem Blog von Zeit zu Zeit Streifzüge durch praktische Aspekte der Insolvenzverschleppung, denen vor Gericht und im Vergleichsgespräch Bedeutung zukommen kann. Der folgende Streifzug ist der fünfte dieser Serie. Er geht einem BGH-Urteil nach, nach dem Geschäftsleiter für Insolvenzverschleppung nach Amtsende weiter haften, und zwar auch für Schäden von Neugläubigern aus Verträgen, die erst nach Amtsende abgeschlossen werden. Dies ist eine bedeutsame Ausdehnung der Haftung und hat auch Bedeutung für die Deckung durch D&O - Versicherer.

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